Eine neue Bank für die Terrasse? Die baue ich in unter 60 Minuten! Der Wasserhahn tropft und nervt die ganze Nacht? Kein Problem – für eine Klempnerlehre brauche ich im Notfall nur 30 Minuten. Und falls mir morgen mal der Sinn nach einem neuen Beruf steht, dann pfeife ich auf Studium und Fortbildung. Ob Ernährungsberater, Visagistin oder Atomphysiker: Die Grundlagen dafür habe ich doch in meiner Hosentasche.
Das Zauberwort dafür heißt YouTube und Co. Die Videoplattform gewinnt insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen immer mehr an Bedeutung, wenn es um Informationen und Bildung geht. Laut einer Umfrage, die vom Rat für Kulturelle Bildung konzipiert wurde, nutzen 86% der Jugendlichen YouTube, das damit auf Platz zwei bei den wichtigsten sozialen Medien landet – hinter WhatsApp (vgl. Rat für Kulturelle Bildung: Jugend/YouTube/Kulturelle Bildung 2019).
Etwa
90% der Befragten
gaben an, dass sie von den Videos dazu motiviert werden, selbst kulturell aktiv zu werden (vgl. ebda).
Quelle: Rat für Kulturelle Bildung: Jugend/YouTube/Kulturelle Bildung. 2019
Social Media als Antrieb mal wieder etwas Neues auszuprobieren und sein Wissen zu vertiefen? Das klingt erst einmal nicht schlecht. Tatsächlich bieten dort einige Channelbetreiber gut produzierte, informative und vor allem kurzweilige Inhalte an. Insbesondere zur Vertiefung von Lernstoff und zur anschaulichen Erklärung komplizierterer Sachverhalte eignen sich multimediale Angebote wie Videos sehr gut. Bild und Ton, teilweise ergänzt durch begleitende Texte können über mehrere Kanäle Wissen verbreiten. So lassen sich beispielsweise Unterrichtsinhalte oder aktuelle Schlagworte schnell mit YouTube-Videos wiederholen, auffrischen oder besser verständlich machen. Auch Tipps und Tricks für Probleme des Alltags und Debatten über wissenschaftliche Schwerpunktthemen lassen sich hier mit nur einem Klick verfolgen. Das Angebot ist nahezu unbegrenzt.
https://www.youtube.com/watch?v=qy9VS0DL1FQFrischer Wind auf dem Balkon gewünscht? DIY-Tutorials machen's möglich
Und genau hier liegt auch das Problem: Leider spricht Quantität nicht immer für Qualität. Der Nutzer muss sich also zunächst einmal auf eine Expedition nach den besten Fundstücken begeben, die ihm wirklich nützen und nicht erzählen wollen, dass man mit Cola auch Rotweinflecken aus der Ledercouch bekommt. Das Netz lockt mit einer Vielfalt von Angeboten, die es uns (zumindest scheinbar) ermöglichen in kürzester Zeit neue Dinge zu lernen und unser Wissen zu steigern. Auf der einen Seite spricht das für unsere moderne, technisierte Welt, auf der anderen werden aber auch populär- und pseudowissenschaftliche Ansichten gefördert und es wird immer schwerer Fakten von Non-Sense zu unterscheiden. Ein gutes Beispiel dafür ist die anhaltende und zunehmend heftigere Debatte über Impfungen bei Kleinkindern. Während Ärzte verzweifelt versuchen weiterhin medizinisch und fachlich fundiert die Vorteile von Immunisierungen herauszuarbeiten, klicken sich überforderte Eltern durch reißerische „wissenschaftliche“ Artikel, die von Autismus und angeblich gefährlichen Inhaltsstoffen berichten.
www_slon_pics | PixabayIn einer Gesellschaft in der Wissen zu großen Teilen durch das Internet gesteuert wird, wächst auch das Potenzial für Panikmache.
Doch es geht auch anders: Neben den bereits erwähnten hochwertig produzierten YouTube-Channels steigt auch die Zahl an seriösen E-Learning Plattformen glücklicherweise immer weiter an. Durch die zunehmende Digitalisierung und technische Möglichkeit wird das Angebot immer umfangreicher und spannender. Einen besonders großen Vorteil bieten E-Learning Angebote von Universitäten oder anderen namhaften Bildungsunternehmen. Diese ermöglichen globale Vernetzung und flexibel abrufbare Lerninhalte, die den Nutzern individuelle Freiräume ermöglichen. Lernen wird damit unabhängig von den eigenen Terminen, den Lebens- oder Bildungshintergründen. Dabei zeigen sich die größten Potenziale von E-Learning-Angeboten: Die Unabhängigkeit, die damit einhergeht, sowie die Loslösung von festgefahrenen Vorstellungen im Bezug auf Aus- und Weiterbildungsmechanismen. Konzepte von rein stationärem Lernen nach Plan und festgelegten Schwerpunkten passen nicht mehr in unser heutiges Weltbild. Dank vielfältiger Online-Wissensangebote wird vorausgesetzt, dass Informationen immer und überall abrufbar sein müssen. Traditionelle Bildungseinrichtungen tun also gut daran, ihr Angebot um E-Learning-Plattformen zu erweitern, um auf lange Sicht mit der Entwicklung Schritt zu halten. Glücklicherweise steigt die Zahl spannender und hochwertiger Lernplattformen zunehmend an. Somit wird auch der Flut an unseriösen Informationen und Wissensangeboten etwas entgegengesetzt.
Es gilt also zunächst – wie überall – die Spreu vom Weizen zu trennen. Außerdem sollte man sich bewusst machen, dass trotz besserer Verfügbarkeit und unabhängigen Lernkonzepten immer noch Arbeit hinter dem Erwerb von Wissen stecken sollte. Ein einzelnes YouTube-Video macht einen noch nicht zum Atomphysiker – oder mich zum ausgebildeten Sanitärinstallateur. Online-Angebote bieten uns einen bequemeren, uneingeschränkten Zugang zu Wissen – es liegt allerdings immer noch an uns, was wir daraus machen.