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INTERVIEW

Dr. Volker Zimmermann und Frank Milius zu aktuellen Trends in der digitalen Bildung

Von Neocosmo Next • 27.07.2016

Digitale Bildung liegt voll im Trend! Doch welche Plattformen eignen sich besonders gut? Was gibt es am Markt?

Welche aktuellen Trends gibt es und wie bewerten Sie deren Potential?

Dr. Volker Zimmermann: Der erste Trend geht in Richtung Personalisierung, d.h. dass die Nutzer, die an Bildungsmaßnahmen teilnehmen, natürlich auch das bekommen sollten was letztlich zu ihnen passt, also zu ihrem Vorwissen, zu ihrem Bedarf etc. Wir haben auf der einen Seite den klassischen Schulungsansatz: Es gibt einen Kurs, ob Online oder Präsenz oder im Mix. Diese Kurse behandeln alle Teilnehmer gleich. Wenn wir jetzt aber in Richtung informelles bzw. selbstbestimmtes Lernen gehen, interessieren sich die Menschen für sehr bestimmte Themen und man sollte ihnen daher auch die Möglichkeit geben, das was sie an Wissen erwerben müssen, so zu gestalten, wie es zu ihrem aktuellen Bedarf passt. Zweiter Trend: Es stehen bereits unheimlich viele Inhalte im Web zur Verfügung und es geht weniger darum Inhalte neu zu erschaffen, sondern die bestehenden Inhalte bestmöglich nach Bedarf und somit im Sinne des Nutzers zu kombinieren, also zu kuratieren. Inhalte rund um Lernprozesse sollten also mehr kuratiert als neu erstellt werden. Ein schönes Beispiel liefert hier die Musikindustrie, die heute Playlisten zu bestimmten Themen zusammenstellt, beispielsweise Musik der 70er oder 80er Jahre. Man kann hier auswählen, was einen grade interessiert und bekommt direkt die passenden Lieder angezeigt. Analog hierzu wird die Entwicklung im Bildungsbereich vorangehen. Es wird immer mehr Spezialisten geben, die fertige Bildungsinhalte kuratieren durch Wiederverwendung von bereits bestehenden Inhalten, und diese dann der Zielgruppe bereitstellen. Es entsteht somit eine neue Form der Content-Erstellung, durch Kuration und Automatisierungsprinzipien.

Worin sehen Sie Chancen und Risiken der digitalen Bildung?

Dr. Volker Zimmermann: Die Chancen sind klar, dass man die Zeit, die einem zur Verfügung steht als berufstätiger Mensch optimal nutzen kann, um so mehr Wissen zu erwerben. Die Risiken bestehen darin, dass die Zeit nicht zur Verfügung steht und man sich somit also auch nicht weiterbildet. Grade wenn es um digitale Bildung geht, besteht ein hohes Maß an Eigenverantwortung für den Lernprozess. Gleichzeitig bedarf es viel Guidance um im Lernprozess zu einem wirklich tiefen Lernergebnis zu kommen. Es ist daher nicht ganz einfach, digitale Bildung nachhaltig zu gestalten. Die Risiken bestehen weiterhin darin, dass nach wie vor die Nutzer nicht gelernt haben mit digitalen Medien Wissen zu erwerben. Der jüngeren Generation bzw. denjenigen die mit Medien aufgewachsen sind, also den sogenannten Digital Natives, fällt dies schon deutlich leichter. Es ist für sie selbstverständlicher und oftmals auch einfach sich Wissen über beispielsweise ein YouTube Video anzueignen. Ältere Generationen sind dagegen oftmals abgelenkt von anderen Fragen und Aufgaben und haben somit nicht die Zeit sich mit digitalen Angeboten tiefgehend mit dem Wissenserwerb zu beschäftigen. 

In welchen Kontexten sehen Sie digitale Bildung als besonders hilfreich an?

Dr. Volker Zimmermann: Digitale Bildung ist eigentlich in allen Bereichen hilfreich. Sei es Schule, Hochschule oder eben im Berufsleben. Das Verständnis von Digitaler Bildung ist jedoch ganz unterschiedlich. In der Schule reden wir von Digitaler Bildung wenn im bzw. rund um den Unterricht Medien eingesetzt werden, um gemeinsam neue moderne Lernprozesse abzubilden. D.h. ein Lehrer gibt beispielsweise eine Projektarbeit vor, zu der die Schüler selbst Inhalte recherchieren, anschließend Videos produzieren, dies dann aufbereiten und somit Lernen. Dieser Prozess wäre digitale Bildung in der Schule. In der Hochschule ist digitale Bildung sehr stark rechercheorientiert, auch in dem Sinne, dass man beispielsweise für Spezialvorlesungen Online Angebote nutzt, dies mit seinen eigenen Vorlesungen in Präsenzzeiten kombiniert, oder die Abbildung dualer Masterstudiengänge, von denen man teils im Berufsleben und teils an der Hochschule ist und dies durch technische Plattformen auf denen zusammengearbeitet wird, kombiniert. Dies ist der Prozess der digitalen Hochschule. Im Berufsleben ist digitale Bildung für mich zukünftig viel stärker informell als instruktionsorientiert, d.h. die Nutzer informieren sich über ihre Inhalte und ihre Themen in dem sie gezielt Medien recherchieren, Experten folgen und dann auch mal den ein oder anderen Onlinekurs besuchen.

Nutzen Sie Möglichkeiten der digitalen Bildung auch privat und wenn ja, was sind Ihre favorisierten Tools hierbei?

Frank Milius: Aber natürlich. Fachbücher kaufe ich seit Jahren beispielsweise nur noch als eBook auf die ich natürlich über jedes meiner Endgeräte Zugriff habe. Es passiert mir daher nicht mehr, dass ich im Büro sitze, etwas nachschlagen möchte und merke, dass mein Buch zuhause liegt. Und für das ein oder andere Thema, dass mich privat sehr interessiert, habe ich mich auch schon in MOOC’s eingeschrieben. 

Sind die Trends, die in Deutschland zu verzeichnen sind mit Trends in anderen europäischen Ländern vergleichbar? 

Dr. Volker Zimmermann: Es wird zwar oftmals gesagt, dass Deutschland hier zurückhinkt, ich persönlich glaube das allerdings nicht. Es ist eher so, dass man in Deutschland sehr detailliert an diese Sache herangeht, während man Digitalisierung im Bildungsbereich in anderen Ländern eher oberflächlich betrachtet. In Deutschland wird man sich eher mit der Pädagogik und der didaktischen Seite beschäftigen und in anderen Ländern geht man es eher von der Technologieseite angeht. Im Endeffekt ist Deutschland allerdings sogar bei den Vorreitern anzusiedeln. Wir sind auf Augenhöhe mit den USA oder mit Ländern wie Australien und Singapur. Mittlerweile sind die meisten Länder auf einem guten Weg. Wenn Sie heute eine Hochschule besuchen, finden sie keine Institution, die nicht digitale Bildung als Teil ihrer Strategie betrachtet. In den Unternehmen ist dies ebenso der Fall. Ab einer Unternehmensgröße, bei der eine eigene Trainingsstrategie verfolgt wird, ist das Thema gesetzt. 

Digitale Bildung ist nicht gleich digitale Bildung: Wie kann man Inhalte Ihrer Meinung nach ansprechend gestalten, so dass sie letztendlich auch besser aufgenommen werden?

Dr. Volker Zimmermann: Zunächst einmal denke ich, dass sie grade nicht gestaltet werden müssen. Man muss Inhalte nicht in Form eines hollywoodreifen Steven Spielberg Films aufbereiten, damit sie wirkungsvoll sind. Motivation kann nicht durch Medienaufbereitung erzeugt werden. Die Aufnahmefähigkeit von Inhalten kann vielleicht erleichtert werden, wenn multimodal trainiert wird. Es ist jedoch nicht zwingend, dass alles multimedial aufbereitet, animiert wird, das alles in Games gepackt wird, so wie viele Unternehmen das versprechen, weil sie unbedingt ihre Lernspiele verkaufen möchten. Ich denke vielmehr, dass Lesen nach wie vor ein wichtiger Aspekt des Lernens ist. Lesekompetenz ist die Grundkompetenz fürs Lernen und man kann daher durch Lesen von Fachartikeln bereits unheimlich viel Wissen transportieren. Wenn man dies noch mit Videos und Zusatzinformationen und reflektiven Fragestellungen und Quizzes kombiniert, kann man zu einem Gesamtkonzept von Wissenstransferlösungen kommen, die gut funktionieren und nicht teuer zu erstellen sind. Ich glaube, dass wir crossmedial denken müssen, also Video und Text miteinander kombinieren müssen, aber nicht, dass alles hochwertig medial aufbereitet werden muss, eher im Gegenteil. 

Welche Herausforderungen muss Bildung in einer digitalisierten Welt heute meistern? 

Dr. Volker Zimmermann: Die Herausforderungen sind je Bildungssegment unterschiedlich. In der Schule sehe ich als zentrale Herausforderung die Lehrerfortbildung und Lehrkräfte in die Lage zu versetzen, digitale Medien sinnvoll im Unterricht einsetzen zu können, d.h. sie brauchen die richtige Ausstattung aber insbesondere auch das richtige pädagogische Konzept sowie einen Unterrichtsentwurf und sie müssen in ihren Lehrdeputaten die Möglichkeit haben, sich entsprechend auf den Unterricht vorzubereiten, da das Material nicht immer verfügbar ist. In den Unternehmen ist die große Herausforderung, dass man Organisationsstrukturen aufbaut, die auch so viel Kapazität haben, dass sie gute Angebote schaffen können. Der Trainer muss vom Präsenztrainer zum Community Manager, zum Redakteur, zum Content-Kurator werden, der einfach die Inhaltsdienste für die Mitarbeiter so zusammenstellt, dass deren Bedarf und aktuelle Themen angesprochen werden. Wir müssen nicht von Präsenz- auf Onlineschulungen umsteigen, sondern vielmehr neuartige Wissensdienste, die aktuell sind aber auch in der Tiefe Wissen vermitteln, bedienen können, mit Redakteuren, mit Kuratoren mit Inhaltsexperten; also vom Trainer zum Community Manager, vom Trainer zum Content-Kurator. Die Aufgabenstellung ist hier also klar: Vom Trainer zum Lernbegleiter.

Was hat Sie dazu motiviert die digitale Magazinplattform PIIPE zu entwickeln?

Dr. Volker Zimmermann: Mit PIIPE können Unternehmen oder Hochschulen ihr eigenes Magazin publizieren. Wenn Sie heute an neue Themen wie Industrie 4.0 oder Lehrerfortbildung zum Thema „Digitale Bildungstechnologien“ denken, ist so viel Wissen notwendig und es kommt ständig neues Wissen hinzu. Es macht also keinen Sinn einmalig einen Online Kurs zu entwickeln, der nach der Entwicklung statisch und nicht mehr veränderbar ist. Das Wissen entwickelt sich ständig weiter, also brauchen wir eine andere Art von Informations- und Wissensdienst. Hier bietet sich das Format eines digitalen Magazins an, in dem kontinuierlich Updates gegeben werden können. Die Nutzer können Themen folgen, die sie interessieren und das Magazin personalisieren. So entsteht ein lebendiger Informationsdienst; eine Art Blog, der aber besser ist, da Wissen systematischer für den Leser strukturiert wird. Unsere Kunden, wie Villeroy&Boch oder AXA ergänzen dann das Magazin mit Quizzes, Umfragen, Nutzerdialogen, etc. Das Magazin wird so vom Lerndienst zur Lerncommunity, was auch den Nutzern Spaß macht und die Möglichkeit erzeugt den Wissensdienst entsprechend der eigenen zeitlichen Verfügbarkeit und Interessen zu nutzen.

Vor welchen Herausforderungen standen Sie während der Entwicklung? 

Frank Milius: Die größte Herausforderung besteht bei einer technologischen Entwicklung immer darin, nicht an den Kundenanforderungen vorbei zu entwickeln. Nur weil man von seiner eigenen Idee begeistert ist, bedeutet das nicht, dass andere die Idee ebenfalls gut finden oder sich die Umsetzung in der Praxis bewährt. Von daher war es für uns wichtig, PIIPE von Anfang an mit Pilotkunden zu entwickeln, die uns als Sparringspartner kontinuierlich konstruktives Feedback gaben. Diesen engen Abstimmungsprozess zwischen Kunden und NEOCOSMO werden wir auch in Zukunft beibehalten. 

Wie sehen Sie die Zukunft von PIIPE?

Frank Milius: Wir sind jetzt knapp ein Jahr mit PIIPE auf dem Markt und können klar erkennen, dass wir mit PIIPE die Basis für unser zukünftiges Wachstum gelegt haben. PIIPE ist als Plattform konzipiert, was bedeutet, dass wir unseren Kunden nicht nur die Software zur Verfügung stellen, um ein Magazin zu publizieren. Wir halten auch eine verlässliche Infrastruktur für unsere Kunden vor, kümmern uns um die Integration von Mehrwertdiensten und übernehmen auf Wunsch die Redaktion des Magazins. Diese Lösungs-Orientierung kommt bei unseren Kunden sehr gut an. In den kommenden Monaten gibt es ein paar Themen, an denen wir konzentriert arbeiten werden. Stichwort Big Data: je mehr Magazine unsere Kunden auf PIIPE veröffentlichen, umso mehr können wir aus dem Nutzerverhalten lernen. Das wird unseren Kunden und uns ermöglichen, die Inhalte auf die jeweiligen Zielgruppen hin auszurichten und kontinuierlich zu optimieren. Zudem wird das Thema Bewegtbild eine immer größere Rolle spielen. Hier ergänzen wir gerade PIIPE um Funktionen, damit unsere Kunden ihre eigenen Videoportale aufbauen und betreiben können.

Exploring PIIPE
https://youtu.be/7eWFYWzPOBM

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